Wo ein Wille ist, ist immer auch ein Bauch.

Da haben wir alles mit dem Verstand durchgekaut, gewendet und beleuchtet, mit klugen Fragen Ziele erarbeitet, smart (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert) formuliert, den Willen zur Veränderung bekundet. Doch irgendwo auf dem Weg dorthin, blieb er (der Wille) stecken. Und das trotz Coaching, Workshop und Supervision. Wo ist er geblieben der „Veränderungswille“? War es der Arbeitsalltag, die fehlende Zeit, die fehlenden Unterstützer/innen, überraschende Schwierigkeiten und Widerstände oder einfach nur der „innere Schweinehund“? Haben wir uns zu wenig um den Transfer in den (Arbeits-) Alltag gekümmert? Es war doch alles so nachvollziehbar und vernünftig ausgearbeitet. Im Kopf war alles klar. Doch wenn der Kopf schon weitergeht, muss das nicht heißen, dass der Körper ein-fach folgt. Irgendwo zwischen Kopf und Bauch bleibt mancher Lernprozess stecken, geht das ein oder andere Veränderungsprojekt verloren. Wenn es hart auf hart kommt, laufen der Kopf in die eine und der Rest in die andere Richtung. Während der Kopf in der Fantasie morgens früh aufsteht und die Joggingschuhe anzieht, bleibt der Rest liegen, dreht sich noch einmal im Bett um und schlummert noch eine Runde.
Angeregt durch hypno-systemische Konzepte (u.a. Gunter Schmidt), Impulse aus der Gehirnforschung (u.a. Gerald Hüther) und den Strudelwurm, der fröhlich aus dem Züricher Ressourcenmodell hüpft (Maja Storch), lade ich Sie ein, dort, wo der Kopf und der Bauch sich trennen oder gemeinsam verbünden, etwas zu verweilen. Wie können wir mit unseren Angeboten in Training, Beratung und Supervision die Kooperation von Kopf und Bauch fördern?
Nehmen wir an, wir hätten beide uns gegenüber sitzen, auf dem einen Stuhl der Kopf, auf dem anderen der Bauch. Lassen Sie uns mit einer kleinen Vorstellungsrunde beginnen. „Mein Name ist Kopf, ich bin hier der Chef im Laden. Ich durchleuchte die Dinge, wäge das pro und contra ab, prüfe Einwände und treffe Entscheidungen. Ich bringe jede Menge Erfahrung mit.“ So oder so ähnlich könnte sich der Kopf vorstellen, besser: Ihr Verstand. Sie können ihn bewusst und aktiv nutzen, indem Sie zum Beispiel über bestimmte Dinge nachdenken. Das tun Sie in der Regel sprachlich, das heißt in Worten und Sätzen. In Trainings, Supervisionen und Beratungen sprechen wir sehr häufig, vielleicht auch ausschließlich mit Herrn Kopf. Wir stellen Fragen, arbeiten mit den Antworten, machen Pläne, vereinbaren smarte Ziele.
Doch wenn wir uns dem Bauch zuwenden, wird es schon mit der Ansprache schwierig. Der Bauch spricht eine ganz andere Sprache. Eine, die nicht aus Worten besteht, die sich in Körperempfindungen, Körperkoordinationen, Gefühlen ausdrückt. „Somatische Marker“ (Maja Storch, Selbstmanagement – ressour-cenorientiert, 4.Aufl., Bern, 2010), wie eine veränderte Atmung, ein flaues Bauchgefühl, eine entsprechende Mimik, eine bestimmte Körperhaltung, Gefühle, eine bestimmte Art zu gehen. Dieser Teil von uns drückt sich eben nicht sprachlich aus, macht sich aber doch irgendwie bemerkbar und wird entweder wahrgenommen und in einem Prozess mit berücksichtigt oder eben ignoriert.
Wie vielleicht dadurch deutlich wird, scheinen beide „Systeme“ auf ihre eigene Art und Weise mit den Reizen aus der Umwelt (Erlebnisse, Begegnungen, Arbeitsprozesse, etc.) zu arbeiten und sie zu bewerten. Beide Systeme sind irgendwie in den Strukturen des Gehirns repräsentiert. Daher ist es eigentlich falsch von Kopf und Bauch zu reden. Maja Storch spricht in ihrem sehr lesenswerten Buch „Machen Sie doch, was Sie wollen“ statt vom Bauch von einem Würmli (Maja Storch, Machen Sie doch, was Sie wollen, Bern, 2011). Erlauben Sie mir bei der eigentlich nicht korrekten Bezeichnung „Bauch“ zu bleiben. Der Kopf (eigentlich nur ein Teil von ihm: der Verstand, das „Bewusste“) bewertet eher in Kategorien von richtig, falsch, überzeugt, überzeugt nicht. Und der Bauch eher in Kategorien von mag ich, mag ich nicht, fühlt sich gut an, fühlt sich nicht gut an. Der Kopf spricht wohl eher mit Worten, der Bauch wohl eher mit somatischen Markern wie diffuse oder klare Gefühle, körperliche Reaktionen. Der Verstand ist uns bewusst zugänglich („das Bewusste“) der Bauch nur sehr begrenzt. Wir können seine Botschaften spüren, die dahinter liegenden Prozesse aber sind nicht bewusst zugänglich („das Unbewusste“). Der Verstand arbeitet/bewertet eher langsam, der Bauch arbeitet/bewertet eher schnell.
Wenn wir lernen, egal ob in formalen Kontexten (Schule, Trainings, Vorträge, Beratungen, Supervisionen) oder informellen Kontexten (im Alltag) sind immer beide Systeme beteiligt. Manchmal arbeiten beide eher kooperativ, sozusagen Hand in Hand. Manchmal arbeiten beide in unterschiedliche Richtungen. Der Verstand findet eventuell eine Darmspiegelung sehr vernünftig, der Bauch aber kneift die Pobacken zusammen und bringt auf seine eigene Art und Weise zum Ausdruck, dass hier kein „fremdes Auge“ reinkommt. (Fußnote: Diese wunderschöne sofort nachvollziehbare Beschreibung stammt von Maja Storch aus einem Vortrag den sie 2012 auf dem Kongress „Wie kommt Neues in die Welt“ gehalten hat). Für den Kopf macht es vielleicht Sinn, Hausaufgaben zu machen und zu lernen, mal um sein Wissen zu vertiefen, mal um keinen Ärger mit dem Lehrer zu bekommen. Der Bauch beschäftigt sich aber vielleicht derweil lieber mit ganz anderen Dingen. Und schon ziehen beide in unterschiedliche Richtungen los. Was bleibt, ist mal Bewegungslosigkeit, mal Ambivalenz, ausbleibendes konsequentes Handeln, Durchfall im falschen Moment, Herzrasen und Blackout, … sicherlich können Sie die Liste aus eigener Erfahrung fortsetzen.
Wenn also beide Systeme (Kopf und Bauch) an Lern- und Veränderungsprozessen beteiligt sind, wie beziehen wir diese mit ein bzw. welche Angebote machen wir für den Kopf und welche Angebote machen wir für den Bauch? Wie sprechen wir das „Würmli“ (Maja Storch) an? … wie kommen beide, Kopf und Bauch in Beratung, Training und Supervision zum Zuge? Damit ist mehr gemeint als nur „erlebnisorientierte“ Methoden, bei denen man sich auch einmal bewegen darf.
Wie berücksichtigen wir beide Systeme bei der Ziel- und Auftragsklärung innerhalb von Beratungs- und Trainingsprozessen? Achten wir auf die vielleicht unterschiedlichen Signale und Bedürfnisse? Hier könnte ein erster Schritt sein, ganz bewusst beide Systeme einzuführen und anzusprechen, wie wenn beide in der Beratung, im Training wären (und es auch sind). Dabei können Modelle wie das „Innere Team“ bzw. „Teile-Arbeit“ hilfreich sein. Was sagt der Kopf und wie fühlt sich das an? Sind beide eher in einer Kooperation und ziehen am gleichen Strang oder befinden sich beide in einem Tauziehen wieder? Das lässt sich bildlich und konkret aufgreifen und ausprobieren. Dabei braucht es für beide „Systeme“ viel-leicht unterschiedliche Fragen. Da wird ein Ziel schnell benannt und angestrebt, doch wie wirkt sich das Ziel, die Vorstellung es umzusetzen aus? Welche Körpergefühle und Körperkoordinationen (Muskel, Atmung, Körperhaltung, Gefühle von groß/klein, weit/eng, alt/jung, etc.) löst es aus? Ist das vom Kopf formulierte Ziel auch für den Bauch (das „Würmli“) attraktiv, anstrebenswert? Oder löst es im Bauch sogar Vermeidungsimpulse aus (Beispiel „Joggen“)? So verschiebt sich in den Fragen der Aufmerksamkeitsfokus auf die innere Welt, die sich eben u.a. in Körperempfindungen ausdrückt. So wird der Bauch zu einer wichtigen Ressource und zu einem wichtigen Verhandlungspartner. Wie aber können wir mehr die „Rückmeldungen“ wahrnehmen, besonders dann, wenn der Bauch eine „andere Sprache“ spricht? Was braucht dieser „Teil“ unseres inneren Teams? Was müssten wir für diesen Teil berücksichtigen, noch erarbeiten, damit wir eher in einer Kooperation beider Systeme arbeiten? Und schon sind wir mitten drin in Verhandlungsprozessen zwischen Kopf und Bauch. Das Hin und Her lässt sich natürlich auch nicht sprachlich „bewegen“, man müsste nur aufstehen und einmal beiden „Seiten“ nachspüren oder mal auf beiden Stühlen (Kopf und Bauch) sitzen. Wie sieht eine für eine ganz bestimmte Situation gewünschte Körperkoordination aus? Wie würde ich stehen, wie atmen, wie würde das innere Empfinden sein? Welche „Haltung“ wird dadurch beschrieben? Welches Verhalten könnte dazu passend sein?
Und so könnten Ziele nicht nur smart formuliert werden, Ziele könnten aus attraktiven Bildern bestehen, in einem Motto oder einem Slogan zum Ausdruck kommen. Ziele könnten körperlich dargestellt und unterstützend „gespeichert“ werden. Auf dem Weg der Umsetzung könnten wir beide Seiten immer wieder befragen und die entsprechenden Rückmeldungen als wertvolle Information, als Kompetenz nutzen. Dabei wird vielleicht viel Ambivalenz plötzlich greifbar. Aber dadurch können wir auch besser mit der Ambivalenz, mit den unterschiedlichen Seiten, den unterschiedlichen Bedürfnissen arbeiten. Vielleicht braucht unser Bauch manchmal etwas anderes wie unser Kopf. Denn wo ein Wille ist, ist immer auch ein Bauch.

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